Stress macht dick?

Eine akute Stresssituation schlägt oft buchstäblich auf den Magen, der Hunger vergeht. Doch Dauerstress und quälende Alltagsprobleme bewirken das genaue Gegenteil: Kummerspeck und Frustpfunde sammeln sich gnadenlos auf Hüften, an Beinen und Po und natürlich rund um dem Bauch.

Längst ist bekannt, dass das Prinzip „leerer Magen = Hunger = Essen“ nicht greift. Denn außer dem schlichten Hunger gibt es auch noch den Appetit, das Trostessen, das Essen als Belohnung oder das gedankenlose Essen nebenbei. Vor allem bei Stress verursachen komplexe Vorgänge im Gehirn und im Stoffwechsel eine übermäßige und vor allem falsche Nahrungsaufnahme. Was steckt dahinter?

1. Wie das Gehirn auf Stress reagiert

Wer unter Druck gerät, verändert oftmals sein Essverhalten. Achtzig Prozent aller gestressten Menschen essen mehr als nötig – und vor allem dickmachende und ungesunde Kalorienbomben anstelle einer schlankerhaltenden und gesunden Nahrung. Zahlreiche Forscher haben sich inzwischen mit diesem Phänomen beschäftigt und in wissenschaftlichen Studien herauszufinden versucht, warum das so ist.

Ergebnisse der Hirnforschung

Neurowissenschaftler haben festgestellt, dass das Gehirn eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Übergewicht spielt, denn es greift in den Regelkreis von Hunger und Sättigung ein. Dadurch isst der Mensch weiter, obwohl er längst satt ist. Das passiert vor allem dann, wenn die Stresszentren des Gehirns stark und dauerhaft beansprucht sind. Der in dieser Situation niedrige Serotoninspiegel verursacht Heißhunger und wird durch Nahrungsaufnahme, vor allem in Form von schnell verfügbaren Kohlenhydraten (also Zucker), wieder nach oben geschraubt.

Serotonin aber ist das sogenannte „Glückshormon“: Steigt der Wert im Körper an, fühlt man sich gleich besser. Das Gehirn lernt diesen Mechanismus sehr schnell und suggeriert in der nächsten Stresssituation: Es wird Dir gleich besser gehen, wenn Du etwas isst! Also greift man beherzt zu. Zudem ist das Gehirn mit der Überflutung an Nahrung hoffnungslos überfordert. Essen ist jederzeit und überall verfügbar. Insgesamt wird Dickwerden heute eher als ein psychosoziales Problem angesehen als ein rein körperliches.

Lesen Sie auch:  Regatta - Der Outdoor-Experte: Was macht die Marke so erfolgreich?

Energiefresser Hirn

Das Gehirn verbraucht einen Großteil der Nahrungsenergie. Der Bedarf erhöht sich in Stresssituationen noch weiter, so dass bis zu 90 % des täglichen Glukosebedarfs dorthin wandert. Kommt die gewünschte Energiemenge nicht zügig im Gehirn an, werden Botenstoffe freigesetzt, die den Appetit anregen: Es wird zu Lebensmitteln gegriffen, die schnelle Energie liefern, nämlich Zucker und Fett. Bei Dauerstress steigt somit das Gewicht unaufhaltsam an.

Essen als Belohnung

Das Belohnungszentrum im Gehirn schüttet den „Glücksbotenstoff“ Dopamin aus, sobald es frische Energie durch Nahrung erhält. Dieser Effekt wird gelernt und motiviert dazu, diese Situation immer wieder zu erleben. Das heißt: „Stress + Essen = Glückgefühl“ wird zu einem sich ständig wiederholenden Ritual. Vor allem bereits Übergewichtige zeigen Auffälligkeiten im Gehirn, die denen von Suchtkranken ähnlich sind. So verlangt das Belohnungszentrum immer größere Portionen, damit sich ein Glücksgefühl einstellen kann.

2. Die Stoffwechselvorgänge bei Stress

In Untersuchungen an der Ohio State University konnte festgestellt werden, dass unter Stress die Kalorienverbrennung deutlich verlangsamt ist. Das kann unter anderem daran liegen, dass der Insulinspiegel durch die zu häufige Zufuhr von Nahrung – meist in Form leerer Kohlenhydrate wie Süßigkeiten, Weißmehlprodukte oder Limonaden – stark ansteigt und auf hohem Level bleibt. Dadurch ist die Umwandlung von Fett in Energie gestört und das Fett wird ins Gewebe eingelagert. Wir werden dick.

Die übermäßige Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von Snacks, Pizza oder Schokolade verändert zudem die Darmflora dahingehend, dass diese Kohlenhydrate besonders gut aufgespalten und in Form zusätzlicher Kalorien zur Verfügung gestellt werden. Der Überschuss wandert in die Fettdepots.

Lesen Sie auch:  Zwiebel - Die unterschätzte Heilpflanze

Auf Stoffwechselebene bewirkt die Zufuhr von „schnellen“ Kohlenhydraten übrigens einen gegenteiligen Effekt als auf der Hirnebene: Zwar steigt der Serotoninspiegel und das subjektive Befinden bessert sich, aber der Stresshormonspiegel im Blut steigt an. Es ist also physiologisch unmöglich, Stress einfach wegzuessen.

3. Strategien gegen Stresspfunde

Es gibt viele seelische Dickmacher und Stress auslösende Situationen. Man kann ihnen nicht immer ausweichen. Aber man kann lernen, damit besser umzugehen. Der Kampf gegen Stresspfunde fängt im Kopf an und bedarf einer langfristigen Verhaltensumstellung. Ein paar einfache Tipps helfen auf dem Weg dorthin:

• Das Zauberwort heißt „Entspannung“. Wenn Stress dick macht, muss die Konsequenz das Vermeiden oder zumindest Mindern von Stress sein. Das Erlernen und regelmäßige Ausführen einer Entspannungstechnik wie Autogenes Training, Qi Gong, Yoga oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson braucht nicht viel Zeit, hat aber eine große Wirkung.

• Erwiesen ist auch, dass ausreichend Schlaf einen positiven Einfluss auf das Gewicht hat – und er hilft gegen Stress. Der nächtliche Stoffwechsel ist zum Einen wichtig für eine ausreichende Fettverbrennung und zum Anderen für eine ausgeglichene Psyche. Optimal sind etwa 7-8 Stunden Schlaf.

• Regelmäßige Essenszeiten und –rituale verhindern Heißhungerattacken und das ständige, unkontrollierte „Snacken“ zwischendurch. Man bekommt wieder mehr Überblick über die Verzehrmengen. Selber vollwertig kochen und in Ruhe genießen bringt Entspannung und läßt die Pfunde fast automatisch purzeln.

• In stressigen Zeiten braucht der Körper mehr Vitalstoffe wie Magnesium, antioxidativ wirkende Vitamine und verschiedene Spurenelemente. Die können sehr gut durch gesunde Lebensmittel, etwa Vollkornprodukte, Gemüse und Obst zugeführt werden. Vorratskammer und Kühlschrank sollten also stets ausreichend mit frischen und nährstoffreichen Produkten gefüllt sein, um bei der nächsten Hungerattacke „liefern“ zu können.

Lesen Sie auch:  Die Wahrheit hinter der Fett-Weg-Spritze: Hype, Hoffnung und Risiken

• Auch für den kleinen Hunger zwischendurch eignen sich diese gesunden Snacks, die durch fettreduzierte Milchprodukte (etwa Naturjoghurt oder –quark mit frischen Früchten) ergänzt werden können. Das Eiweiß sättigt anhaltend.

• Eine Belohnung bei Stress muss nicht das Essen sein: Ein Kinobesuch, ein kurzer Spaziergang, ein Treffen mit Freunden, die Massage in der Wellnessoase, ein duftendes Vollbad oder ein gutes Buch befreien die Seele und den Geist besser als jede Tafel Schokolade.